Montag, 28. November 2016

Sonntag am Berg vs. Sonntag in Mexiko

Es folgt ein Vergleich der Sonntage in hier in Mexiko und denen in meiner "Heimat für drei Jahre", dem Hansenberg. 

Sonntag; 0 Uhr; Berg: "Sch....", es ist Mitternacht. Eigentlich sollte ich jetzt auf dem Weg in die WG sein (oder jemand anders auf dem Weg in seine :p), aber die meisten Sozpäds gewähren die 5 Minuten Kulanzzeit auch ohne gelbe Karte.

Sonntag, 0 Uhr; Mexiko: Es ist Mitternacht? Jetzt geht's erst richtig los.
Haha, okay. Nein. Ehrlich gesagt habe ich in den letzten Wochen um die Uhrzeit relativ tot in meinem Bett gelegen und entweder gerade noch Netflix geschaut oder war schon im Traumland verschwunden.

8:30 Uhr; Berg: Relativ ausgeschlafen aufwachen, Whatsapp checken: 5 neue Nachrichten im "Fertrikolon":
Ben (8:09): Seid ihr wach? 
Markus (8:11): ja...
Ben (8:11): Brunch um viertel nach neun?
Markus (8:13): chill mal, ich muss noch duschen. eher so halb zehn...
Ben (8:14): ....Leslie?

Leslie (8:31): jups, bin dann unten
Aus irgendwelchen Gründen verkacke ich es dann doch und bin erst um kurz nach halb zehn vor 4. EG, wo schon ungeduldig gewartet wird.
Ab geht's in die Mensa, wo sich zwecks Brunch erstmal das Tablett vollgeschaufelt wird und wir unsere vier Buchstaben je nach Wetter drinnen oder draußen in der Sonne platzieren.
Sonntägliche Gerüchte werden gekocht und der "walk of shame" einzelner Mitschüler wird begutachtet. 

8:30 Uhr; Mexiko: Ich schlafe.

10:30 Uhr; Berg: Der Weg in die WG wird angetreten, nicht ohne vorher in 4.EG anzuhalten und die Pläne für den Tag zu erörtern.

10:30 Uhr; Mexiko: Ich schlafe (wenn ich nicht gerade einen Skypetermin habe..)

11:00 Uhr; Berg: Man hat sich mit vollem Magen in die WG geschleppt und schaut sich das Chaos im Zimmer an. Jap, jetzt wird aufgeräumt. Wäsche waschen, Schreibtisch aufräumen, und ein bisschen Tabulrasa in der WG betreiben, Putzdienst erledigen. To-Do Liste für den heutigen Tag schreiben.

11:00 Uhr; Mexiko: Ich schlafe...

12:00 Uhr; Berg: Okay, welche Hausaufgaben müssen unbedingt heute gemacht werden, für welche Klausuren sollte ich lernen, gibt es Hausarbeiten zu schreiben...? Lernen (mal mehr, mal weniger) mit Mitschülern, bis man das schlechteste Gewissen irgendwie beseitigen konnte. Bei gutem Wetter auf der Schlossterasse rumliegen und über die Geschehnisse der vergangenen Nacht philosophieren oder wichtige Themen des Lebens erörtern.
der Schlossteil des Hansenbergs


12:00 Uhr; Mexiko: Tatsächlich bin von den Toten erwacht und liege aber noch im Bett und beschäftige mich mit meinem Handy und / oder meinem Laptop.
Anschließend, (so gegen 13 Uhr) quält sich die Hausgemeinschaft aus dem flauschigen Bett und wir widmen uns der Herstellung eines Frühstücks / Mittagessens bei dem wir meistens über Deutschland und / oder Mexiko reden oder Fußball / American Football schauen. 

16:00 Uhr; Berg: Entweder jetzt - oder nach dem Abendessen - begibt man sich mit etwaiger Begleitung auf einen Spaziergang durch die wunderschönen Weinberge um den schönen Hansenberg herum.
in den Weinbergen...



16:00 Uhr; Mexiko: Bett. Netflix. 

18:00 Uhr; Berg: Abendessen und weiteres Philosophieren.

18:00 Uhr; Mexiko: Man hat just vor 10 Minuten beschlossen, jetzt (!) zu einer Mall zu fahren und ein paar Winterklamotten einzukaufen. Also sprintet man gerade hektisch aus der Dusche um sich noch halbwegs fertig zu machen. 

18:10 Uhr; Berg: Immer noch beim Abendessen.

18:10 Uhr; Mexiko: Katha steht vor der Tür - wir machen uns auf den Weg in die Mall. Diesen Vorzug des amerikanischen Einflusses werde ich in Deutschland glaube ich sehr vermissen. Sonntags mal eben bis 21 Uhr shoppen gehen können.

19:00 Uhr; Berg: je nach Arbeitsmenge für die Schule und andere Dinge ist man entweder noch alleine auf seinem Zimmer oder schon in netter Gesellschaft.

19:00 Uhr; Mexiko: Nach erfolgreichem Einkauf bei H&M laufen zwei verwirrte blonde Mädels durch Galerias Valle Oriente und suchen verzweifelt den AT&T Shop, da eine der jungen Damen dringend ihre Mobilfunkrechnung bezahlen sollte.

21: 05 Uhr; Berg: neue Nachricht im "Fertrikolon": Ben: Trikolon-Pizza?
Klar, denkt man sich. Warum nicht. Also bestellen wir Pizza, nur um sie um viertel vor zehn hektisch zu verspeisen, weil wir sonst nicht pünktlich in die WG kommen.
das ominöse Fertrikolon


21:05 Uhr; Mexiko: Die beiden Damen sind gerade wieder nach Hause gekommen. Umziehen, abschminken, Film schauen.

22:00 Uhr; Berg: Auf geht's in die eigene WG. Klatsch und Tratsch mit den Mädels aus der WG austauschen und dann ins Bad und ins Bett.

22:00 Uhr; Mexiko: Erster Film läuft noch, man wird wohl noch einen zweiten schauen müssen um müde zu sein.

23:45 Uhr; Berg: Mhm...schön...so langsam kann man mal einschlafen. In 6,5 h heißt es wieder aufstehen.

23:45 Uhr; Mexiko: Dritter Film wird nach verzweifeltem Einschlafversuch angemacht; man muss ja erst in knapp 9 h wieder aufstehen.

[Der "Berg" war mein Zuhause für die letzten drei Jahre. Er ist die liebevolle Bezeichnung für die Internatssschule Schloss Hansenberg im wunderschönen Rheingau. (http://hansenberg.de)]

Donnerstag, 24. November 2016

Desch Mexiko...

Wenn die Leute erfahren, dass ich seit etwa 1 1/2 Jahren meinen Führerschein habe, dank BF17 aber nie alleine in Deutschland gefahren bin und das erste Mal alleine hier in Mexiko, Monterrey hinter dem Steuer gesessen habe, kommt meist ein entgeistertes "Wow, dass du dich das traust."
Meine Standardantwort: "Naja, wenn ich hier problemlos fahren kann, dann geht das auch ohne Probleme in Berlin, Hamburg oder Frankfurt."
Mittlerweile denke ich da etwas anders. Wenn ich in dann in ein paar Monaten in Deutschland das erste Mal alleine fahren werde, wird es nicht lange dauern, bis ich angehalten und gefragt werde, ob ich jemals die Fahrschule besucht habe.
Blinken, Stop-Schilder beachten, Schulterblick, Vorfahrt und Vorrang achten, die Hupe und Warnblinkanlage nur in Ausnahmefällen benutzen? - alles überbewertet. Definitiv.
Denn: desch Mexiko und hier fährt man eben so. Ohne Regeln. Anarchie. Wenn du blinkst, hast du verloren, denn es ist hier sowas wie ein Volkssport, dich dann erst Recht nicht abbiegen oder die Spur wechseln zu lassen. Stop-Schilder? Ach, da soll man anhalten? Vorfahrt hat ja wohl immer der, der zuerst da war. Und wenn das einmal nicht klar ist, wird eben so lange gehupt, bis einer losfährt. Hupen, sowieso total hip hier. Am besten 24 / 7. (Das macht übrigens auch der Güterzug, der hier mehrmals am Tag durchfährt - es gibt nämlich keine Schranken. Dann lieber so laut hupen, dass ganz Monterrey aus dem Bett fällt, weil es sich anfühlt, als würde neben einem die Queen Mary II einlaufen.)
Und ja, auch ich benutze mittlerweile die Warnblinkanlage auch dann, wenn ich gerade mal nicht genau weiß, wo ich jetzt abbiegen soll und deswegen 10 km / h langsamer fahre. Dann hupen sie wenigstens nicht.

Mittagessen um 15 Uhr und dazu erstmal ein Clamato (Tomatensuppe mit Maggi und wahlweise Bier oder Wodka, garniert mit einer Selleriestange, manchmal auch Möhre); desch Mexiko.

Grundsätzlich zu spät kommen - und zwar mindestens 15 Minuten; desch Mexiko. Auch bei der eigenen Geburtstagsfeier, wo die blöden Deutschen natürlich pünktlich sind, sonst aber weder Gastgeber noch irgendjemand anderes in Sicht sind.
Anlehnend daran: "ahorita", was soviel wie "sofort", "gleich", "jetzt" oder "gerade" (temporal) bedeutet. Könnte "jetzt" sein. Oder in einer halben Stunde. Oder in 59 Jahren. Desch Mexiko.

Am einen Tag 32 Grad und Klimaanlage anmachen, 24 Stunden später 17 Grad und sich in Pullis, Schals und Einhornsocken einmummeln; desch Mexiko.

Politische, kulturelle und moralische Extreme aufeinander prallen sehen - manchmal auch in ein und derselben Person; desch Mexiko.

Für mich ganz persönlich aktuell: aufgeschlossen und tolerant hier und konservativ und befangen da. Ein Land, dessen Kultur und Tradition für "eine freiheitlich, tolerant und hinterfragend erzogene Person" sicherlich nicht immer leicht nachzuvollziehen ist.
Aber: ganz sicher ein Land, dessen Schattenseiten durch die unfassbare Gastfreundschaft bei weitem wieder gut gemacht werden!


In einem Monat ist übrigens Weihnachten.🎄🎍🎇 family time ❤❤❤

[Für alle Nicht-Hessen: "desch Mexiko" = "das ist Mexiko" | mit freundliche Unterstützung der unschlagbaren Katha und des noch viel unschlagbareren Meliton]

Sonntag, 6. November 2016

101. Tag in Mexiko: Grund, um mal so richtig aufzufallen

¡Hola!

Auch wenn sich der Titel eigentlich auf den heutigen Tag bezieht, der wirklich einfach nur legen...wait for it...dary war, dann gibt es doch so ein Erlebnis von dem ich gerne berichten würde, was mich auch im Rahmen der bald anstehenden Wahlen in den USA nachdenklich macht.

Letzten Dienstag hatten Katha und ich im Rahmen der Arbeit einen kleinen Auftrag zu erledigen und waren auf dem Weg zu einem Copyshop. Abgesehen von den üblichen Blicken und hupenden Autos war alles soweit normal. Angekommen im Laden, verständigten wir uns bezüglich unseres Druckauftrags und der nette Mitarbeiter begann sofort mit seiner Arbeit. 
Nach etwa 3 Minuten kam ein wohl weiterer Mitarbeiter in den Laden, der uns sofort ansprach, obwohl weitere Kunden im Geschäft warteten. Wir seien ihm sofort aufgefallen, weil blond. Bevor aber die allseits beliebte Frage nach der Herkunft kam, erkundigte er sich nach den Namen, unserem Alter und warum wir denn hier in Monterrey seien. Vorsichtig, aber dennoch höflich gaben wir Auskunft. 
Was daraufhin wohl oder übel folgte war die Frage "Und, woher kommt ihr?" (natürlich in super genuscheltem Spanisch).

"Somos de Alemania"
"Ohh, Alemania. (Er streckt seinen rechten Arm aus). Heil Hitler"

Wow. Beeindruckend. [Diverse Unhöflichkeiten, die ich mir tatsächlich gedacht habe.]
Mehr als "¿En serio?" und ein Kopfschütteln brachte ich nicht heraus. 
Als er sich dann noch erdreistete zu fragen, ob wir denn bitte auch streng konservativ katholisch wären, war ich kurz davor mal ein paar Dinge klarzustellen. 
Dankenswerterweise war der Druckauftrag schnell beendet...

Also, ich habe mich wirklich schon genug darüber echauffiert, aber muss das sein? Mache ich mich vor Mexikanern über die grauenvolle Eroberung durch die Spanier oder das ein oder andere diktatorische Staatsoberhaupt lustig? Ich glaube nicht.

Und: ich bin offen für viele Ansichten. Aber wenn man mich etwas fragt und mit meiner Antwort nicht zurecht kommt und das dann noch als Anlass nimmt, mich als "puta herética" zu bezeichnen, dann geht mir das doch einen Hauch zu weit.

Aber, bezüglich heute?
Was ich heute gelernt habe, wie man mal so richtig schön auffällt:
Man muss einfach nur an einem Sonntag, an dem die halbe Stadt die bekannteste Mall Monterreys belagert, kurzfrsitig beschließen aus dem Bett zu kriechen und in Jogginghose, Gammelpulli, ungeschminkt und mit blonden Haare gesegnet eben jener Mall einen Besuch abzustatten um völlig verwirrt mit dem Handy in der Hand (Maps funktioniert in Gebäuden nicht ganz so gut wie außerhalb) nach Bershka zu suchen, nur um es ganz am Ende nach der eigentlich schon stattgefunden Kapitulation ausversehen zu finden. 
Und wenn man dann noch, während man auf sein Taxi wartet, neugierige Blicke in Richtung einer Fuerza Civil "Hundertschaft" wirft, die gerade vier städtische Busse auseinander nimmt, dann ist der Tag wirklich, wirklich super gelaufen! 😅


Fazit: es könnte besser, es könnte aber auch schlimmer sein.
Ich habe gemerkt, wie sehr ich dieses Jahr den Limburger Weihnachtsmarkt mit seiner 1/2m - Feuerwurst und den Crêpes vermissen werde. Und die nach Honigkuchen duftenden Duftkerzen. 
Bestimmt wäre es in manchen Augenblicken zuhause gerade einfacher, aber ich lerne mit meinen Aufgaben und freue mich total auf die Weihnachtsferien!!


P.S.: Passt jetzt so gar nicht, ABER: ich habe richtig gute Bekanntschaft mit den Mensanern in Monterrey geschlossen. So ein internationales Netzwerk hat schon was Feines.
Eine Sache, die dabei rauskommen kann, seht ihr auf dem Bild unten.
Anlässlich des "día de los muertos" schminkt man sich hier nämlich als "Catrina"