Donnerstag, 24. November 2016

Desch Mexiko...

Wenn die Leute erfahren, dass ich seit etwa 1 1/2 Jahren meinen Führerschein habe, dank BF17 aber nie alleine in Deutschland gefahren bin und das erste Mal alleine hier in Mexiko, Monterrey hinter dem Steuer gesessen habe, kommt meist ein entgeistertes "Wow, dass du dich das traust."
Meine Standardantwort: "Naja, wenn ich hier problemlos fahren kann, dann geht das auch ohne Probleme in Berlin, Hamburg oder Frankfurt."
Mittlerweile denke ich da etwas anders. Wenn ich in dann in ein paar Monaten in Deutschland das erste Mal alleine fahren werde, wird es nicht lange dauern, bis ich angehalten und gefragt werde, ob ich jemals die Fahrschule besucht habe.
Blinken, Stop-Schilder beachten, Schulterblick, Vorfahrt und Vorrang achten, die Hupe und Warnblinkanlage nur in Ausnahmefällen benutzen? - alles überbewertet. Definitiv.
Denn: desch Mexiko und hier fährt man eben so. Ohne Regeln. Anarchie. Wenn du blinkst, hast du verloren, denn es ist hier sowas wie ein Volkssport, dich dann erst Recht nicht abbiegen oder die Spur wechseln zu lassen. Stop-Schilder? Ach, da soll man anhalten? Vorfahrt hat ja wohl immer der, der zuerst da war. Und wenn das einmal nicht klar ist, wird eben so lange gehupt, bis einer losfährt. Hupen, sowieso total hip hier. Am besten 24 / 7. (Das macht übrigens auch der Güterzug, der hier mehrmals am Tag durchfährt - es gibt nämlich keine Schranken. Dann lieber so laut hupen, dass ganz Monterrey aus dem Bett fällt, weil es sich anfühlt, als würde neben einem die Queen Mary II einlaufen.)
Und ja, auch ich benutze mittlerweile die Warnblinkanlage auch dann, wenn ich gerade mal nicht genau weiß, wo ich jetzt abbiegen soll und deswegen 10 km / h langsamer fahre. Dann hupen sie wenigstens nicht.

Mittagessen um 15 Uhr und dazu erstmal ein Clamato (Tomatensuppe mit Maggi und wahlweise Bier oder Wodka, garniert mit einer Selleriestange, manchmal auch Möhre); desch Mexiko.

Grundsätzlich zu spät kommen - und zwar mindestens 15 Minuten; desch Mexiko. Auch bei der eigenen Geburtstagsfeier, wo die blöden Deutschen natürlich pünktlich sind, sonst aber weder Gastgeber noch irgendjemand anderes in Sicht sind.
Anlehnend daran: "ahorita", was soviel wie "sofort", "gleich", "jetzt" oder "gerade" (temporal) bedeutet. Könnte "jetzt" sein. Oder in einer halben Stunde. Oder in 59 Jahren. Desch Mexiko.

Am einen Tag 32 Grad und Klimaanlage anmachen, 24 Stunden später 17 Grad und sich in Pullis, Schals und Einhornsocken einmummeln; desch Mexiko.

Politische, kulturelle und moralische Extreme aufeinander prallen sehen - manchmal auch in ein und derselben Person; desch Mexiko.

Für mich ganz persönlich aktuell: aufgeschlossen und tolerant hier und konservativ und befangen da. Ein Land, dessen Kultur und Tradition für "eine freiheitlich, tolerant und hinterfragend erzogene Person" sicherlich nicht immer leicht nachzuvollziehen ist.
Aber: ganz sicher ein Land, dessen Schattenseiten durch die unfassbare Gastfreundschaft bei weitem wieder gut gemacht werden!


In einem Monat ist übrigens Weihnachten.🎄🎍🎇 family time ❤❤❤

[Für alle Nicht-Hessen: "desch Mexiko" = "das ist Mexiko" | mit freundliche Unterstützung der unschlagbaren Katha und des noch viel unschlagbareren Meliton]

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